0056 Herbstliches Akrostichon
Bei einem Akrostichon ergeben die Anfangsbuchstaben der Sätze eine eigene Botschaft. Hier markieren Sie den Weg durch den Herbst. Doch wohin führt das alles?
INFO Wer Wind sät, wird Sturm ernten - Akrostichon von Lars O. Heintel
Werner war in seinem Element, dem Hass auf Unordnung und Chaos. Er verabscheute den Oktober mit seinen überraschenden Laubstürmen aus tiefstem Herzen. Rastlos schaute er aus dem Fenster und wartete auf Feindbewegung. Windstille. In einer schattigen Ecke des Gartens harrte ein ordentlicher Haufen gefallenen Blattwerks seiner baldigen Verbrennung. Nun regte sich dort etwas. Doch wurde die Bewegung tatsächlich von aufkommendem Wind verursacht? Staunend spähte Werner durch dicke Brillengläser Richtung Laubhaufen: Ästchen zuckten, Zweiglein ruckten, Blätter stiegen gen Himmel. Tatsächlich - der Haufen schien zu eigenem Leben zu erwachen, obwohl sich rundumher kein Lüftchen regte!
Wie konnte das sein? Irritierten ihn etwa Luftspiegelungen, mitten im kühlen Herbst? Ratlos rieb Werner sich die angestrengten Augen. Da! Schwankend erhob sich das Laub vom feuchten Erdreich. Tentakeln aus Zweigen und Wurzelwerk entwuchsen der schwellenden Gartenkreatur. Ungläubig sah Werner das Pflanzenmonstrum über den mühevoll blattbefreiten Rasen auf das alte Haus zu wanken. Reglos vor Schreck verharrte er hinter der Einfachverglasung seines Stubenfensters. Minutenlang bewegte sich nichts und niemand außer dem zielstrebig in seine Richtung strauchelnden Blättergolem. Entsetzt, ja: gelähmt beobachtete Werner, wie sich ihm direkt vor dem Fenster aus der Masse ein Kopf entgegenformte. Riesige leere Augenhöhlen starrten aus dem Laubschädel zurück. Nur wenige Zentimeter und eine dünne Scheibe trennten die Blickduellanten. Tosend zersprang das Glas in tausend Splitter, wovon viele ihren Weg in Werners Gesicht und einige in seinen Hals fanden. Ein letztes Mal sah, fühlte, atmete und hörte er: Niederträchtiger Narr, deines Laubsaugers elektrischer Funke verlieh
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